Rasch zogen sie sich ihre scharlachroten Umhänge über und warteten auf Woods übliche Aufmunterungsrede vor dem Spiel. Doch diesmal fiel sie aus. Mehrmals setzte er zum Sprechen an, brachte aber nur ein merkwürdig würgendes Geräusch hervor, schüttelte dann hoffnungslos den Kopf und winkte sie hinaus.
Der Wind war so stark, daß sie, als sie aufs Spielfeld liefen, zur Seite wegstolperten. Die Menge mochte johlen und kreischen, sie konnten es durch die immer neuen Wellen des Donners nicht hören. Wie zum Teufel sollte er den Schnatz in diesem Mistwetter erkennen?
Die Hufflepuffs mit ihren kanariengelben Umhängen kamen von der anderen Seite des Feldes. Die Kapitäne traten aufeinander zu und schüttelten sich die Hände; Diggory lächelte Wood an, doch Wood sah jetzt aus, als hätte er Kiefersperre, und nickte nur. Harry sah, wie Madam Hoochs Mund die Worte»Besteigt die Besen«formte; er zog den rechten Fuß mit einem schmatzenden Geräusch aus dem Schlamm und schwang sich auf seinen Nimbus Zweitausend. Madam Hooch setzte die Pfeife an die Lippen und blies; der schrille Pfiff schien aus weiter Ferne zu kommen – und los ging es.
Harry stieg schnell in die Höhe, doch sein Nimbus schlingerte ein wenig im Wind. Er hielt ihn mit aller Kraft gerade, spähte durch den Regen und machte dann eine Kehrtwende.
In weniger als fünf Minuten war er naß bis auf die Haut und halb erfroren. Seine Mitspieler konnte er kaum erkennen, geschweige denn den winzigen Schnatz. Er flog das Spielfeld auf und ab, vorbei an verschwommenen roten und gelben Gestalten, ohne einen blassen Schimmer, was in diesem Spiel eigentlich so vor sich ging. Den Stadionsprecher konnte er bei diesem Wind nicht hören. Die Menge unten hatte sich unter einem Meer von Umhängen und zerfetzten Schirmen versteckt. Zweimal hätte Harry ein Klatscher fast vom Besen gerissen; wegen der Regentropfen auf seiner Brille war alles so verschwommen, daß er sie nicht hatte kommen sehen.
Harry verlor das Zeitgefühl. Es wurde immer schwieriger, den Besen gerade zu halten. Der Himmel verdunkelte sich, als ob die Nacht beschlossen hätte, früher hereinzubrechen. Zweimal stieß er um ein Haar mit einem anderen Spieler zusammen, ohne zu wissen, ob es ein Mitspieler oder ein Gegner war; alle waren jetzt so naß und der Regen war so dicht, daß er sie kaum auseinander halten konnte…
Mit dem ersten Gewitterblitz kam auch der Pfiff von Madam Hoochs Pfeife; Harry konnte durch den dichten Regen gerade noch den Umriß Woods ausmachen, der ihn gestikulierend zu Boden wies. Das ganze Team setzte spritzend im Schlamm auf.
»Ich hab um Auszeit gebeten!«, brüllte Wood seinem Team entgegen.»Kommt, hier runter -«
Sie drängten sich am Spielfeldrand unter einem großen Schirm zusammen; Harry nahm die Brille ab und wischte sie hastig am Umhang trocken.
»Wie steht's eigentlich?«
»Wir haben fünfzig Punkte Vorsprung«, sagte Wood,»aber wenn wir nicht bald den Schnatz fangen, spielen wir bis in die Nacht hinein.«
»Mit der hier hab ich keine Chance«, keuchte Harry und schlenkerte mit seiner Brille durch die Luft.
Genau in diesem Augenblick tauchte Hermine an seiner Seite auf, sie hielt sich den Umhang über den Kopf und aus unerfindlichen Gründen strahlte sie.
»Ich hab da 'ne Idee, Harry! Gib mir mal deine Brille, schnell!«
Er reichte sie ihr und das Team sah verdutzt zu, wie Hermine mit ihrem Zauberstab dagegen tippte und»Impervius!«rief,
»Bitte sehr!«, sagte sie und gab sie Harry zurück.»Jetzt stößt sie das Wasser ab!«
Wood sah Hermine an, als wollte er sie auf der Stelle küssen.
»Genial!«, rief er ihr mit heiserer Stimme nach, während sie in der Menge verschwand.»Gut, Leute, packen wir's!«
Hermines Zauber wirkte. Harry war immer noch benommen vor Kälte und patschnaß, doch er konnte etwas sehen. Voll frischer Zuversicht peitschte er mit dem Besen durch die Böen und spähte in allen Himmelsrichtungen nach dem Schnatz, wobei er hier einem Klatscher auswich und dort unter dem heransausenden Diggory hindurchtauchte…
Er sah einen vergabelten Blitz, dem auf der Stelle ein weiterer Donnerschlag folgte. Das wird immer gefährlicher, dachte Harry. Er mußte den Schnatz möglichst bald fangen.
Er wendete und wollte zur Mitte des Feldes zurückfliegen, doch in diesem Moment erleuchtete ein weiterer Lichtblitz die Tribünen, und Harry sah etwas, das ihn vollkommen in Bann schlug – die Kontur eines riesigen, zottigen schwarzen Hundes, klar umrissen gegen den Himmel. Reglos saß er in der obersten leeren Sitzreihe.
Der Besenstiel entglitt Harrys klammen Händen und sein Nimbus sackte ein paar Meter ab. Er rieb sich die Augenlider und schaute noch einmal hinüber auf die Ränge. Der Hund war verschwunden.
»Harry!«, ertönte Woods entsetzter Schrei von den Torpfosten der Gryffindors,»Harry, hinter dir!«
Harry blickte sich entsetzt um. Cedric Diggory kam über das Spielfeld geschossen, und in den Regenschnüren zwischen ihnen schimmerte etwas Kleines und Goldenes -
In jäher Panik duckte sich Harry über den Besenstiel und raste dem Schnatz entgegen.