Er war allein dort in dem kleinen Holzschuppen, in den von irgendwo das dumpfe Licht einer Laterne fiel.
Ich hatte schwankend in der Tür gestanden. Oder vielleicht war es der Raum, der schwankte.
Ich konnte meine Finger sehen, die sich so fest in den Türpfosten bohrten, dass die Nägel weiß geworden waren.
Eine Bewegung im Halbdunkel. Er erhob sich rasch, als er mich sah, kam auf mich zu. Was war sein –
»Jamie.« Ich hatte mich vage erleichtert gefühlt, als mir sein Name einfiel.
Er hatte mich an die Hand genommen, mich in den Schuppen gezogen, und im ersten Moment fragte ich mich, ob ich lief oder ob er mich trug; ich hörte den festgetretenen Boden unter mir flüstern, spürte aber nicht, wie ich ihn berührte.
Er sprach mit mir, ein beruhigender Klang. Furchtbar anstrengend, die Worte auszumachen.
Doch ich wusste auch so, was er sagte, und es gelang mir zu sagen: »Alles … gut. Nur … müde«, während ich mich fragte, ob diese Töne überhaupt Worte waren, ganz zu schweigen davon, ob es die richtigen waren.
»Möchtest du dann lieber schlafen, Herz?«, hatte er gefragt und den Blick besorgt auf mich gerichtet. »Oder schaffst du es, zuerst etwas zu essen?« Er hatte mich losgelassen, um nach dem Brot zu greifen, und ich hatte die Hand nach der Wand ausgestreckt, um mich zu stützen, überrascht, dass sie tatsächlich da war.
Das kalte Gefühl der Betäubung war zurückgekehrt.
»Bett«, sagte ich. Meine Lippen fühlten sich blau und blutleer an. »Mit dir. Sofort.«
Er hatte die Hand um meine Wange gelegt, und seine schwielige Handfläche hatte mir die Haut gewärmt. Kräftige Hand. Tatsächlich da. Vor allem tatsächlich da.
»Bist du sicher,
Ich hatte ihm die Hand auf den Arm gelegt und halb befürchtet, dass sie durch seine Haut hindurchgleiten würde.
»Fest«, hatte ich geflüstert. »Bis es wehtut.«
Mein Glas war leer, die Karaffe halb voll. Ich schenkte mir nach und griff vorsichtig nach dem Glas. Ich wollte nichts verschütten, denn ich war fest entschlossen, das Vergessen zu finden, ganz gleich, wie vorübergehend.
Konnte ich den Kontakt ganz verlieren?, fragte ich mich. Konnte meine Seele tatsächlich meinen Körper verlassen, ohne dass ich starb? Oder hatte sie das bereits getan?
Langsam trank ich das Glas leer, Schluck für Schluck. Holte mir mehr. Schluck für Schluck.
Irgendein Geräusch musste mich bewogen haben aufzublicken, obwohl ich mich nicht erinnern konnte, den Kopf gehoben zu haben. John Grey stand in der Tür zu meinem Zimmer. Sein Halstuch fehlte, und er hatte sich Wein über das Hemd geschüttet, das ihm lose von den Schultern hing. Sein Haar war wirr und seine Augen so rot, wie die meinen sein mussten.
Langsam stand ich auf, als wäre ich unter Wasser.
»Ich werde heute Nacht nicht allein um ihn trauern«, sagte er rau und schloss die Tür.
Ich war überrascht darüber, aufzuwachen. Eigentlich hatte ich nicht damit gerechnet, und eine Weile lag ich da und versuchte, die Realität ringsum wieder einrasten zu lassen. Ich hatte nur sehr schwache Kopfschmerzen, was beinahe noch überraschender war als die Tatsache, dass ich noch lebte.
Doch beides verblasste angesichts der Person des Mannes neben mir im Bett.
»Wie lange ist es her, dass Ihr zuletzt mit einer Frau geschlafen habt, wenn Ihr mir die Frage verzeiht?«
Er schien sie mir zu verzeihen. Er zog die Stirn in kleine Falten und kratzte sich nachdenklich an der Brust.
»Oh, fünfzehn Jahre? Mindestens.« Er sah mich an, und sein Gesicht nahm eine fürsorgliche Miene an. »Oh. Ich entschuldige mich.«
»Ihr entschuldigt Euch? Wofür denn?« Ich zog eine Augenbraue hoch. Ich konnte mir eine ganze Reihe von Dingen vorstellen, für die er sich möglicherweise entschuldigen wollte, doch wahrscheinlich zählte keines davon zu dem, was ihm vorschwebte.
»Ich fürchte, ich habe mich vielleicht nicht verhalten«, er zögerte – »wie ein Gentleman.«
»Oh, das stimmt!«, sagte ich bissig. »Aber ich versichere Euch, dass ich auch überhaupt nicht damenhaft gewesen bin.«
Er sah mich an, und sein Mund bewegte sich, als versuchte er, sich eine Antwort darauf zurechtzulegen, doch nach ein oder zwei Sekunden schüttelte er den Kopf und gab es auf.
»Außerdem war ich es ja nicht, die Ihr da geliebt habt«, sagte ich, »und das wissen wir beide.«
Er blickte verblüfft auf, und seine Augen waren sehr blau. Dann huschte der Hauch eines Lächelns über sein Gesicht, und er senkte den Blick auf die Bettdecke.
»Nein«, sagte er leise. »Und ich glaube genauso wenig, dass Ihr
»Nein«, sagte ich. Der Schmerz der vergangenen Nacht war jetzt gedämpfter, doch sein Gewicht war unvermindert da. Meine Stimme war leise und heiser; auch jetzt schnürte mir die Umklammerung der Trauer ohne Vorwarnung die Kehle zu.
John setzte sich und griff zum Tisch hinüber, auf dem eine Karaffe mit einer Flasche und einem Glas stand. Er goss etwas aus der Flasche in das Glas und reichte es mir.