Punkte Vorschlag Hitlers möglichst negativ zu kommentieren. Der Wunsch zielt offensichtlich auf die Kriegsbereitschaft der Menschen in England, Frankreich und in den USA. Die Beschränkung der deutschen Forderungen auf das Berechtigte und der Vorschlag, die betroffenen Bewohner des Korridors selbst über ihre Zugehörigkeit zu Polen oder Deutschland abstimmen zu lassen, könnte vielen Franzosen, Briten und Amerikanern nicht mehr genügen, um deshalb für die Polen in den Krieg zu ziehen.
Inzwischen, gegen 16 Uhr, sucht Botschafter Lipski um ein Gespräch bei Außenminister von Ribbentrop nach. Der weiß ja seit ein paar Stunden, daß Lipski weder verhandeln noch die deutschen Vorschläge entgegennehmen darf. Um 18.30 Uhr stehen sich die beiden Männer gegenüber.378 Lipski verliest die polnische Erklärung, die von Ribbentrop bereits aus dem entschlüsselten Telegramm aus Warschau kennt. Der Minister fragt daraufhin, ob der Botschafter verhandeln dürfe. Der verneint. Das Gespräch berührt noch den deutsch-englischen Meinungsaustausch der letzten Tage und Hitlers Erwartung, bis zum Abend des 30.
August einen polnischen Verhandlungsbevollmächtigten in Berlin zu sehen.
Dann fragt von Ribbentrop Botschafter Lipski ein zweites Mal, ob er verhandeln dürfe. Als der verneint, ist das Gespräch beendet. Weder von Ribbentrop noch Lipski machen den leisesten Versuch, dem Gegenüber einen Weg zu lassen.
Beide wissen, daß das den Krieg bedeutet.
So sind um 19 Uhr die beiden letzten Versuche gescheitert und im Sand verlaufen, den Angriffsbeginn der Wehrmacht am 1. September zu verhindern. Gescheitert ist das Bemühen, mit Polen Gespräche über Hitlers 16-Punkte-Vorschlag zu beginnen, und im Sand verlaufen ist der Versuch, mit England statt mit Polen zu verhandeln.
Im Pariser Kabinett toben derweilen Richtungskämpfe. Präsident Daladier vertritt die Meinung, Frankreich müsse gegenüber Deutschland unnachgiebig bleiben.379 Hitler werde den Kriegsbeginn politisch im eigenen Land nicht überleben.
Außenminister Bonnet rät, schnellstens mit Deutschland, Italien, England und Polen über alles zu verhandeln, was Krieg auslösen könnte.380 Und der franzö-
sische Botschafter Coulondre in Berlin schreibt tageweise unterschiedlich, mal 377 Henderson, Seite 275
378 Das folgende Gespräch ist vom Chefdolmetscher Dr. Schmidt protokolliert. Siehe ADAP, Serie D, Band VII, Dokument 476
379 Benoist-Méchin, Band 7, Seite 518
380 Benoist-Méchin, Band 7, Seite 514
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scharfmachend an Daladier und mal mäßigend an Bonnet. Am 30. August z.B.
an den Präsidenten:
Tags darauf am 31. August berät Coulondre Außenminister Bonnet ganz anders: