Was sich am Raumschiff zugetragen hatte, als sich die Venusianer weigerten, das Schiff zu besteigen, nachdem sie zuvor selber gewünscht hatten, es zu besichtigen, wurde nach langen Erörterungen auch anders beurteilt. Alle faßten es nun so auf, daß die Venusianer ihre Gaste einfach „nach Hause“ begleitet und sie zum Schluß nochmals aufgefordert hätten, sie wieder in der Höhle zu besuchen. An eine Besichtigung des Raumschiffes hätten sie gar nicht gedacht.
Aber ungeachtet dieser erfreulichen Schlußfolgerungen erklärte Belopolski, man dürfe der Einladung der Venusianer nicht leichtfertig folgen, und er lehnte Wtorows Bitte, in die Höhle zu gehen, um dort zu filmen, kategorisch ab.
„Die Gesten der Venusianer bei unserem letzten Zusammentreffen mit ihnen“, sagte er, „können auch bedeuten, daß man uns nicht nur nicht einlädt, die Höhle zu besuchen, sondern im Gegenteil uns den Besuch verbietet. Wir überlassen das also lieber der nächsten Expedition, die für eine derartige Exkursion entsprechend ausgerüstet sein wird.“ Diese Worte machten den Besatzungsmitgliedern klar, daß der Kommandant ihre Meinung nicht teilte.
Er traute den Venusianern offenbar nicht und fürchtete neue Opfer.
Wtorow mußte sich fügen. Ganz überraschend machte er sich bald darauf durch andere wertvolle Aufnahmen verdient.
Schon am Tag nach Balandins Beisetzung beobachteten die Astronauten an den Stromschnellen Bewegung. Wie sich herausstellte, leisteten die Venusbewohner ihre nächtliche Arbeit.
Belopolski schlug vor, sich dies aus der Nähe anzusehen.
Daß der mächtige Geländewagen an den Baumstapeln vorfuhr, schien die Seebewohner gar nicht zu stören. Sie setzten ihre Arbeit fort, ohne sich um ihn zu kümmern. Die Menschen waren klug genug, die Scheinwerfer nicht einzuschalten, und Wtorow konnte durch die Fenster des Wagens hindurch soviel fotografieren, wie er wollte, was er natürlich auch tat. Die überempfindlichen Filme, die eigens für ihn hergestellt worden waren, ermöglichten sogar bei Nacht ziemlich klare Aufnahmen.
Es war ein ungewöhnlich reizvolles Bild. Tag für Tag fuhr der große Geländewagen für mehrere Stunden zu dem Wehr.
Außer Wtorow fuhren nacheinander alle Besatzungsmitglieder einmal mit; alle wollten die Venusianer arbeiten sehen. Die aufmerksame Beobachtung des Arbeitsprozesses ließ auch außerordentlich wichtige Schlüsse über die geistige Entwicklung der Seebewohner zu.
Die Arbeit wurde hauptsächlich von den Reptilen geleistet.
Bei ihnen standen einige Venusianer, die offenbar Befehle erteilten und Anweisungen gaben. Wie sie dies taten, konnten die Menschen nicht erkennen. Keine Gesten, keine Laute. Es entstand der Eindruck, daß die Venusianer die Weisungen durch Gedankenübertragung erteilten und die Schildkröten sich ihrem Gedankenbefehl unterordneten. Aber das war natürlich unmöglich. Hinter dem ganzen verbarg sich ein Geheimnis.
Während Belopolski die Reptile beobachtete, sah er immer wieder das Bild vor sich, wie ihr Geländewagen verschleppt worden war. Die Handlungsweise der Reptile hatte an jenem verhängnisvollen Abend durchdacht gewirkt. Sie hatten das Kettenfahrzeug nach allen Regeln der Kriegskunst erobert. Das ließ sich einzig und allein damit erklären, daß auch Venusianer zugegen gewesen waren, obwohl weder Belopolski noch Balandin welche bemerkt hatten.
Ein noch schwierigeres Manöver hatten die Reptile bei dem Überfall auf Knjasews Wagen ausgeführt. Zwar waren sie dabei ganz gewiß von den Venusianern geleitet worden; trotzdem ging ihre Leistung über die Grenzen gewöhnlicher Dressur weit hinaus. Auf der Erde waren selbst Affen, Elefanten und hochentwickelte Tiere solcher Handlungen nicht fähig. Die Venusianer hatten ja die Begegnung mit dem Geländewagen nicht voraussehen und die Reptile zuvor „unterrichten“ können, wie sie sich in solch überraschender Situation zu verhalten hätten.
Nach langer Überlegung äußerte schließlich auch Korzewski seine Vermutungen zu dem Fragenkomplex.
„Alles, was wir über die vermeintlichen Schildkröten erfahren haben“, begann er, „beweist, daß sie keine Vernunft besitzen und ebensowenig wie andere Tiere logischer Folgerung fähig sind. Was sie tun, tun sie mechanisch, ohne den Sinn zu verstehen. Aber die Art, wie sie beim Zusammentreffen mit uns gegen die Scheinwerfer vorgingen, laßt sich mit einer langen, vorbereitenden Dressur nicht erklären. Ich nahm damals an, sie kannten den Krieg. Das war ein Irrtum; die Reptile können keinen Krieg führen. Aber sie verstehen einen Schild zu benutzen, sich unter seinem Schutz einem Objekt zu nähern und es mit Steinen anzugreifen. Wie ist das zu erklären? Nur durch die Jagd. Durch die Jagd auf irgendein großes, gefährliches Tier. Die ‚Schildkröten‘ sind darauf dressiert worden, mit Schilden und Steinen zu jagen, und sie haben bei der Begegnung mit uns in gewohnter Weise gehandelt. Den Unterschied zwischen dem üblichen Wild und unserem Fahrzeug haben sie nicht begriffen. Wir dachten, sie zielten auf unsere Scheinwerfer. Irrtum.