„Der Aufenthalt dort ist ungefährlich“, meldete er Belopolski.
Die Mitglieder der Expedition baten, der Reihe nach das Raumschiff besuchen zu dürfen, doch nach kurzer Beratung mit Melnikow schlug Belopolski es ihnen ab. Ihm war zwar klar, daß sie eigentlich eine Untersuchung vornehmen müßten, aber ebenso wie Melnikow befürchtete er unliebsame Überraschungen.
„Das beste ist“, sagte er, „bis zur nächsten Expedition die Finger davonzulassen. Hier sind erstklassige technische Fachkräfte nötig.“ Dagegen ließ sich nichts einwenden. Das Raumschiff vom fünften Planeten gab in technischer Hinsicht Rätsel über Rätsel auf. Niemand wußte, wo die Triebwerke untergebracht und welcher Art sie waren, wie das Steuerungssystem funktionierte und vor allem, wie die Triebwerke zu betätigen waren. Daß sie noch funktionstüchtig waren, stand so gut wie außer Zweifel.
Die Technik des Raumschiffs war offensichtlich noch völlig intakt.
Trotz allem kamen sie nicht umhin, das Schiff noch einmal zu untersuchen. Melnikow und Wtorow hatten zuwenig gesehen.
Sie mußten Aufnahmen von all seinen Teilen zur Erde mitbringen, damit sich die Fachwissenschaftler eine genauere Vorstellung von ihm machen und sich über seine Konstruktion klarwerden konnten. Belopolski wußte, daß man ihm, falls das nicht geschah, Vorwürfe machen würde, und mit Recht.
Schweren Herzens entschloß er sich zu einem zweiten Besuch.
„Du und Gennadi Andrejewitsch, ihr wart bereits im Raumschiff, und ihr wißt, wo die Türknöpfe sind“, sagte er zu Melnikow. „Außerdem habt ihr schon die Luft dort geatmet. Sollte sie trotz allem schädlich sein, wäre es unsinnig, auch die anderen noch der Gefahr auszusetzen. Ihr beide müßt noch einmal hin und alles, jede kleinste Einzelheit, von außen und von innen fotografieren. Daß ihr vorsichtig sein müßt, brauche ich nicht zu betonen. Das weißt du selbst recht gut. Außer euch lasse ich keinen dorthin. Auch ich gehe nicht.“ „Ich verstehe“, antwortete Melnikow. „Die Entscheidung ist richtig, Konstantin Jewgenjewitsch. Wir werden sehr vorsichtig sein und außer den Türknöpfen nichts anrühren.“ Am achten August um elf Uhr vormittags brach der Geländewagen in Richtung Wald auf. Außer Melnikow und Wtorow saß niemand in dem Fahrzeug.
Es war der zweite Tag des Aufenthalts der Expedition auf der Venus. Die Besatzungsmitglieder mußten sich beeilen, um die vorgesehenen Arbeiten in vollem Umfange durchzuführen.
„Vier Mann sind mit dem Bau des Hangars beschäftigt“, hatte Belopolski gesagt. „Die anderen vier müssen ständig an Bord bleiben. Du siehst ein, daß ich dir niemand weiter mitgeben kann.“ „Ist auch nicht nötig“, hatte Melnikow erwidert. „Den Weg kennen wir, und in unserer Abwesenheit wird keiner den Wagen stehlen. In etwa fünf Stunden sind wir wieder zurück.“ Der Geländewagen verschwand im Wald.
Melnikow und Wtorow hatten einen dreifachen Sauerstoffvorrat bei sich, um das Raumschiff, in dieser Hinsicht unbesorgt, gründlich untersuchen zu können.
Der Tag war erstaunlich klar. Seit dem frühen Morgen hatte sich keine einzige Gewitterfront dem See genähert. Der Wind war abgeflaut und die Oberfläche des riesigen Bergsees spiegelglatt. Vom Wasser stieg durchsichtiger Nebel auf, der sich langsam in der Luft verflüchtigte. Das Thermometer zeigte dreiundsiebzig Grad über Null. Das war weniger als am vorhergehenden Mittag in der Ebene — die Höhenlage machte sich bemerkbar. Die Raumfahrer arbeiteten in Kühlanzügen.
Um drei Uhr nachmittags versammelten sich alle an Bord wie gewöhnlich im Speiseraum. Zu dieser Zeit war Mittagspause.
„Sie müssen bald zurückkommen“, sagte Saizew und nahm am Tisch Platz. Andrejew hatte alles Notwendige bereits hingelegt und die „Gerichte“ aufgetragen.
Belopolski sah auf die Uhr, obwohl er ganz genau wußte, wie spät es war.
„Sie sind schon vier Stunden dort.“ Alle merkten seiner Stimme an, daß er sich Sorgen machte.
„Sie werden viel Neues mitbringen“, bemerkte Korzewski.
„Die Glücklichen!“ seufzte Knjasew.
Weiter wurde kein Wort gesprochen. Nicht nur Belopolski machte sich Sorgen, auch alle anderen waren beunruhigt, bemühten sich jedoch, es sich nicht anmerken zu lassen. Die Mittagspause endete früher als sonst, in völligem Schweigen.
„Auf!“ sagte Saizew, sich als erster erhebend. „Der Hangar muß heute noch fertig werden. Morgen früh geht‘s gleich an die Montage des Flugzeugs.“ Als vier der Männer gerade die Luftschleuse betreten und die übrigen das Observatorium aufgesucht hatten, um dort an den Instrumenten Vorbereitungen zu treffen, erhob sich plötzlich ein durchdringendes Pfeifen. Es war so laut, daß sich alle trotz der dicken Stahlwände, die sie von der Außenwelt trennten, unwillkürlich die Ohren zuhielten. In der Tiefe beginnend, stieg das Pfeifen bis zu schmerzhafter Höhe an und brach dann unvermittelt ab.
Belopolski und Paitschadse befanden sich in diesem Augenblick gerade am Fenster des Observatoriums. Nur sie beide sahen, wie sich etwas Gelbgraues aus dem Waldesdickicht losriß, in die Luft schoß und in den Wolken verschwand.