Am vierten Tag forderte er Wtorow auf, die Flugrichtung geringfügig zu ändern, und der nun schon geübte Ingenieur führte seinen Befehl sicher aus.
Der „Phaetone“ gehorchte Wtorow „widerspruchslos“.
„Ich glaube, wir könnten auch gleich auf dem Mond landen, statt erst auf der Ceres“, meinte Wtorow. „Das Raumschiff gehorcht mir aufs Wort.“ „Lassen Sie sich nicht täuschen“, erwiderte Belopolski. „Im leeren Raum zu manövrieren ist etwas ganz anderes als eine Landung. Hier kann man ruhig einen Fehler machen, aber dort fuhrt er zur Vernichtung des Schiffs.“ Das gleiche hatte Melnikow gesagt. Die fast wörtliche Übereinstimmung verblüffte Wtorow.
Unter den Dingen, die auf den „Phaetonen“ geschafft worden waren, entdeckten sie mehrere Bücher. Die Freude war groß.
Wer hatte dafür gesorgt?
Der Flug verlief ermüdend einförmig. Da waren Bücher hochwillkommen. Um nicht zu schnell mit ihnen fertig zu werden, lasen Wtorow und Korzewski abwechselnd laut daraus vor.
Belopolski brauchte keinen Zeitvertreib. Stunden- und tagelang hing er am Teleskop und führte Beobachtungen durch oder stellte Berechnungen an. In der Welt der Astronomie und der Mathematik führte er sich wohl.
So vergingen die Tage.
Schon hatten sie die Umlaufbahn des Mars hinter sich gelassen. Der Gürtel der Asteroiden war nahe. Dreimal innerhalb von zwei Tagen änderte das Raumschiff seine Flugrichtung, um kleinen Asteroiden, die jedoch groß genug waren, um ihnen gefährlich werden zu können, auszuweichen. Offenbar raste eine ganze Menge dieser Planetentrümmer auf den Astronomen unbekannten Bahnen dahin. Von der Erde aus waren ja hinter der Umlaufbahn des Mars Körper mit einem Durchmesser von wenigen Dutzend Metern nicht mehr zu erkennen.
Für Belopolski begann jetzt eine anstrengende Zeit. Wie sehr vermißte er eine Rechenmaschine. Aber sein mathematischer Verstand ersetzte sie. Ununterbrochen errechnete er den Kurs und korrigierte mit Hilfe Wtorows die Flugbahn.
Ja, man konnte mit vollem Recht sagen, daß von der ganzen Besatzung der „SSSR-KS 3“ er allein imstande war, den „Phaetonen“ unter solchen Umständen zu führen.
Die Ceres war schon gut zu sehen. Selbst mit unbewaffnetem Auge war der winzige Stern wahrzunehmen, dessen Schein buchstäblich mit jeder Stunde zunahm.
Das Raumschiff näherte sich seinem Ziel.
Eine Neujahrsüberraschung besonderer Art hatte einst der sizilianische Astronom Piazzi der Wissenschaft bereitet. In der Nacht zum ersten Januar achtzehnhundertundeins entdeckte er den ersten Kleinplaneten, die Ceres, die sich später als der größte der Asteroiden erwies. Ihr Durchmesser beträgt siebenhundertsiebzig Kilometer und ihre Masse ein Achttausendstel der Erdmasse. Der Planet leuchtet sehr hell, was darauf schließen läßt, daß er aus Mineralien, die das Licht gut reflektieren, oder vielleicht auch aus Metallen besteht. Die Ceres bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von etwa zwanzig Kilometern in der Sekunde auf einer fast kreisrunden Bahn.
Belopolski entschloß sich, der Landung auf der Ceres den-, selben Plan zugrunde zu legen wie der Landung der „SSSRKS 3“ auf der Venus: er wollte dem Planeten auf seiner Umlaufbahn folgen und ihn einholen. Bei diesem Manöver konnten sie endgültig feststellen, wie weit der „Phaetone“ Wtorow gehorchte und wie genau er seine Gedankenbefehle ausführte.
Wenn es ihnen gelang, an die Ceres heranzukommen, konnten sie auch hoffen, wohlbehalten auf ihr zu landen.
Selbst mit dem ausgezeichneten Steuerpult der „SSSR-KS 3“ erforderte solch ein Manöver viel Arbeit und höchste Präzision.
Hier aber steuerte Belopolski nicht selbst. Er mußte jedesmal durch Wtorow handeln, mußte ihm die gewünschte Kurve so erklären, daß der junge Ingenieur sie sich deutlich vorstellen und in Gedanken, ohne den geringsten Fehler, vom Raumschiff vollführen lassen konnte.
Belopolski kamen unwillkürlich Bedenken. Daß die Mechanismen exakt arbeiteten, bezweifelte er nicht; er hatte ja schon wiederholt erlebt, wie sie auf „Befehle“ reagierten. Aber wie stand es um die Exaktheit von Wtorows Denken?
Wenn ich meine Entscheidungen doch unmittelbar selbst in die Tat umsetzen könnte! dachte er.
Aber das war unmöglich.
Ihm war klar, daß sie ihr Leben aufs Spiel setzten. Sollte der Rumpf des Raumschiffes beim Aufprall auf der Ceres Risse bekommen, würde bei ihnen augenblicklich der Tod eintreten, da es auf der Ceres keine Atmosphäre gab.
Indessen, das Los war bereits einen Monat zuvor an Bord der „SSSR-KS 3“ gefallen, jetzt blieb ihnen nichts weiter übrig, als in der Praxis zu erproben, ob „Adler“ oder „Bild“ oben lag.
„Bild“ — das waren Leben und Rettung des Raumschiffes, „Adler“ — Tod und Zerstörung des „Phaetonen“.
Belopolski teilte Korzewski seine Gedanken mit. „Das weiß ich“, entgegnete der Biologe kurz. Mit Wtorow unterhielten sie sich über derartige Themen nicht — seine Ruhe und sein Selbstvertrauen waren jetzt das all erwichtigste. Belopolski glaubte, Wtorow sei sich der Größe der Gefahr nicht bewußt, aber er täuschte sich.