Sie setzte sich zurück, schürzte die Lippen. Hätte der Polizeibeamte doch nur daran gedacht, das Gästebuch des Motels zu kopieren, die Automarken und Nummernschilder zu notieren, dann würde sie wissen, ob derselbe Mercury Tracer mit dem Florida-Kennzeichen vor dem Motel gestanden hatte. Sie fragte sich, ob es das Motel wohl noch gab. Ein rascher Check bei Google ließ vermuten, dass es nicht mehr existierte.
Sie blätterte erneut in den Akten der anderen drei Mordfälle, die noch an der einen Ecke ihres Schreibtischs lagen: Baxter, Flayley, Adler. In keinem Fall hatte es einen Kriminalbeamten gegeben, der so gründlich ermittelt hatte wie in Bethesda. Es gab keine Listen mit Automodellen oder Nummernschildern. Aber warum sollten die auch vermerkt worden sein? Alle drei Morde wurden ja schließlich für Selbstmorde gehalten.
Doch sie besaß das Florida-Kennzeichen aus dem Motel, in dem Winters getötet wurde. Okay, jetzt war die Zeit gekommen, Pendergast anzurufen. Er würde keine zehn Sekunden benötigen, dann hätte er den Halter des Fahrzeugs ermittelt.
Sie wählte seine Nummer und wurde sofort auf die Mailbox umgeleitet. Sie rief Coldmoon an, und das Gleiche passierte. Dann wählte sie die Nummer des FBI in Miami und erfuhr, nachdem sie ziemlich oft weiterverbunden worden war, dass der genaue Aufenthaltsort der Agenten Pendergast und Coldmoon nicht bekannt sei, man jedoch glaube, dass sie auf einem Einsatz seien.
Sie legte ihr Telefon beiseite. Sie hatte einen Bruder, Morris, der bei der Florida Highway Control in Jacksonville arbeitete. Vielleicht konnte er ja nachsehen, zu wem das Nummernschild gehörte. Sie griff zum Telefon und wählte seine Nummer.
»Hallo, Schwesterherz«, ertönte die tiefe Stimme.
Fauchet atmete erleichtert aus. Sie erklärte, was sie wollte und warum. Nach längerem Schweigen sagte er: »Schwesterherz? Lass die FBI-Typen sich darum kümmern.«
»Hör mal, Morris –«
»Ich weiß, du warst als kleines Mädchen ein echter Fan von
Sie war geknickt. »Ich bekomme die ›FBI-Typen‹ nicht zu fassen.«
»Dann ruf das Morddezernat in Miami an.«
Sie wollte nicht, dass die sich die Information unter den Nagel rissen.
»Umso mehr Grund, dass du das den Profis überlässt.« Ein langer Seufzer. »Ich liebe dich, Schwesterherz, aber es tut mir leid. Solche Arten von Checks sind heutzutage verboten, und du möchtest doch sicher nicht, dass man mich hinauswirft, oder?«
Sie gab ihm keine Antwort, wartete ab.
»Weißt du«, sagte er schließlich, fast widerstrebend, »gemäß dem Gesetz zur Informationsfreiheit hat heute jeder Bürger Floridas Zugang zu einem Teil der Kfz-Datenbank. Du kannst zwar nicht über das Nummernschild den Halter eines Autos ermitteln, aber du darfst nach Erwähnungen, Unfällen, Fällen von Trunkenheit am Steuer, Betrug, kriminellen Vorfällen recherchieren.«
Fauchet dankte ihm und verabschiedete sich. Dann legte sie das Telefon beiseite und dachte nach.
Nach Ithaca hörten die Morde auf. Pendergast hatte spekuliert, dass sie möglicherweise aufgehört hatten, weil der Killer – oder die Killer – gestorben war. Und Coldmoon hatte diese Annahme weiter ausgesponnen und sich die Frage gestellt, ob der Lehrling wohl seinen Meister ermordet hatte. Das war natürlich möglich. Aber es könnte genauso gut sein, dass irgendetwas anderes passiert war, dass irgendeine Art Unfall – beispielsweise ein
Okay. Das war zwar ziemlich unwahrscheinlich, aber es lohnte einen Versuch – nachzuschauen, ob der Wagen mit dem Kennzeichen, der vor dem Motel in Bethesda stand, in den Wochen nach dem Mord in Ithaca in einen Unfall verwickelt war.
Sie loggte sich in das Computersystem der rechtsmedizinischen Abteilung ein und klickte sich durch die labyrinthischen Menüs, bis sie beim Kraftfahrzeugamt landete. Nachdem sie eine Minute lang herumgeklickt hatte, gelangte sie auf eine Suchseite der Datenbank. Dort tippte sie die Nummer des Kfz-Kennzeichens sowie die Datumsparameter ihrer Suche ein.
Ein 1997 Mercury Tracer-Kombi, Florida-Kfz-Kennzeichen JW24-99X, war im März 2007 auf der Interstate 81 südlich von Scranton, Pennsylvania, in einen Verkehrsunfall mit einem Toten verwickelt … nur eine Woche nach dem Ithaca-Mord.
Rasch durchsuchte Fauchet das Internet und fand in einer Lokalzeitung einen Artikel über den Unfall. Der Artikel fasste sich kurz: Das Fahrzeug war vom Highway abgekommen, gegen eine Leitplanke geprallt und hatte sich überschlagen. Der Fahrer des Wagens, ein Mann namens John Bluth Vance, war in dem Wrack umgekommen. Sein vierzehnjähriger Sohn Ronald war mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert worden. Die Ursache des Unfalls wurde »derzeit noch untersucht«.