Und das war’s. Es gab weder Folgeartikel über den Tod von Vance noch über den Unfall oder das weitere Schicksal seines Sohnes. Es schien, als sei Ronald Vance einfach verschwunden – das heißt, wenn er bei dem Unfall nicht doch ums Leben gekommen war.
Fauchet spürte ihr Herz laut schlagen. Das konnte es sein. Zugegeben, die Beweislage war dünn – sie hatte ja lediglich den Wagen mit dem Tatort eines Mordes abgeglichen –, aber das Datum und der Ort des Unfalls passten zum plötzlichen Ende der Mordserie … so wie Pendergast es skizziert hatte.
Die Morde hörten nach Ithaca auf, und zwar wegen des Unfalls mit Todesfolge – der den grausamen Roadtrip beendete. Und das war noch nicht alles. Die Täter, ein Vater-und-Sohn-Team, waren unter falschen Namen gereist. Sie waren in einem Wagen mit Florida-Kennzeichen unterwegs. Und sie waren im selben Motel abgestiegen wie Laurie Winters in der Nacht, als sie ermordet wurde.
Der Sohn, Ronald Vance – alias Travis Lehigh –, musste heute vierundzwanzig, vielleicht fünfundzwanzig sein. Wenn sie recht hatte, war dieser vierzehn Jahre alte Jugendliche gezwungen worden, an einer Reihe von grauenhaften Morden teilzunehmen, die – so die Hypothese Pendergasts – darin kulminierten, dass er den letzten Mord in Ithaca selbst beging, kurz bevor sein Vater bei einem Autounfall tödlich verunglückte.
Einer Eingebung folgend, nahm sie in den medizinischen Datenbanken, die ihr zur Verfügung standen, eine Meta-Suche vor. Bei einer raschen Recherche des Großraums Miami und auch des Bundesstaats Florida wurde sie nicht fündig. Doch als sie eine landesweite Suche startete, erfuhr sie, dass ein gewisser Ronald Vance, Alter vierundzwanzig, im September des vergangenen Jahres aus dem King of Prussia Subacute Care Center entlassen worden war. Als sie weitersuchte, fand sie heraus, dass Vance neun Monate zuvor vom Powder Valley State Hospital vor den Toren von Allentown hierher verlegt worden war.
Das Powder-Valley-Krankenhaus war, wie Fauchet schnell feststellte, auf die Langzeit-Rehabilitation neurologischer Traumata spezialisiert. Und so wie das Pflegeheim lag auch das Krankenhaus nicht weit entfernt von Scranton, dem Ort des Unfalls. Wenn Ronald Vance
Kein Wunder, dass der Typ so dermaßen verkorkst war: Er war von seinem Vater zu einem monströsen Roadtrip gezwungen und dann bei einem Autounfall schwer verletzt worden. Und dieser Unfall führte dann zu irgendeiner Kopfverletzung, von der er erst nach einem Jahrzehnt genas.
Das Ganze ergab Sinn.
Sie atmete tief durch. Zugegeben, sie musste noch sorgfältiger suchen. Aber die Sache fühlte sich richtig an.
Sie fühlte sich riesig an.
Fauchet öffnete auf dem Smartphone eine App zur Personensuche und tippte »Ronald Vance, Miami« ein. Bereits nach zehn Sekunden hatte sie einen Treffer.
Name:
Ronald C. Vance
Alter:
24
Adresse:
203 Tarpon Court
Golden Glades, FL 33169
Heiliger Bimbam: Da war’s. Er war also tatsächlich nach Hause gekommen!
Golden Glades – wo lag das noch mal? Sie zog die Tastatur zu sich heran und tippte die Adresse ein, worauf eine Karte des schier endlosen Ballungsraums Miami auf dem Bildschirm erschien. Dort, an North Miami Beach angrenzend, nur ein paar Kilometer von Pendergasts Safe House entfernt. Und nicht allzu weit von dem Ort, an dem das erste Herz zurückgelassen worden war.
Eine halbstündige Autofahrt, vielleicht weniger, wenn der Verkehr mitspielte.
Erneut versuchte sie, Pendergast und Coldmoon telefonisch zu erreichen, aber ihre Anrufe gingen sofort an die Mailbox.
Noch einmal überprüfte sie in aller Ruhe, ob das, was sie dachte, logisch war. Konnte es tatsächlich sein, dass sie recht hatte? Konnte Ronald Vance Mister Brokenhearts sein – und konnte es sein, dass er nur eine kurze Autofahrt entfernt lebte?
Sie starrte auf den Bildschirm und die Karte, die darauf abgebildet war, mit dem kleinen roten Pfeil, der kurz oberhalb der Straße namens Tarpon Court blinkte.
42