„Konferenz von München“, die Gebiete der Tschechei, in denen seit altersher überwiegend Deutsche leben, nämlich die Sudetenlande, durch Drohung und Verhandlung Deutschland anzuschließen. Die Drohung, den Anschluß notfalls mit der Wehrmacht zu erzwingen, führt allerdings zum neuen Schulterschluß der früheren Weltkriegsgegner gegen Deutschland. Mit der Annexion der Rest-Tschechei ein halbes Jahr danach gibt Hitler diesen Gegnerstaaten dann den Grund, wenig später in der Danzig-Frage Partei für Polen und gegen Deutschland zu ergreifen und aus einem ursprünglich nur lokalen Grenzkonflikt zwischen dem Deutschen Reich und Polen einen weiteren Weltkrieg zu entfachen.
Die historischen Wurzeln der Tschechoslowakei
Die Tschechoslowakei, ein erst 1919 entstandener Kunststaat, ist nach dem Ersten Weltkrieg von den Siegermächten aus Landesteilen zusammengefügt worden, die vormals österreichisch, ungarisch, deutsch oder polnisch waren. Vor der Ewigkeit der fast 1000jährigen Zugehörigkeit der Landesteile zu den genannten Nachbarländern erscheinen die nur 19 Jahre der Tschechoslowakei den Regierungen in Wien, Budapest, Berlin und Warschau 1938 wie die Lebensdauer einer Eintagsfliege. Es fehlt der neuen Tschechoslowakei die Legitimation, die sich aus einer eigenen Geschichte speist. Dies mag ein Grund dafür gewesen sein, daß die Regierungen aller Nachbarstaaten, einschließlich Adolf Hitlers, den Tschechen 1938 und 39 das Recht auf Eigenstaatlichkeit verweigern.
Der Doppelname Tschechoslowakei verweist auf zwei verschiedene Völker oder zwei verschiedene Landesteile. Der Name verschleiert, daß im neu geschaffenen Staat die größten Völker Tschechen und Sudetendeutschen sind und nicht Tschechen und Slowaken, und er läßt nicht erkennen, daß der neue Staat drei Landesteile hat und nicht nur zwei. Die Karpato-Ukraine, ganz im Osten der Tschechoslowakei, bildet mit ihrer ruthenisch-ukrainischen Bevölkerung ein eigenes Gebiet. Die eng verwandten Sprachen Tschechisch und Slowakisch verbinden Tschechen und Slowaken, doch die Geschichte trennt sie. Daneben stehen Slowaken und Ruthenen mit gemeinsamer Geschichte, doch mit zwei verschiedenen Sprachen.
Die Tschechei mit ihren zwei Landesteilen Böhmen und Mähren ist sehr früh schon in Abhängigkeit zum Deutschen Reich geraten. Nach 800, zur Zeit Karls des Großen, werden Böhmen und Mähren zunächst dem deutschen Kaiser gegenüber zum Tribut verpflichtet. 929 wird Böhmen erstmals und 950 endgültig 130
Karte 9: Tschechoslowakei 1920-1938
von deutschen Königen und Kaisern unterworfen. Ab 1041 gehören beide Landesteile auf Dauer bis 1918 zum Deutschen Reich. In dieser Zeit verklammern sich Böhmen, Mähren und Deutschland durch eine Vielzahl politischer Verbindungen. 1086 verleiht der deutsche Kaiser dem Herzog von Böhmen die Kö-
nigswürde. Schon 1257 tritt der Böhmenkönig als siebter Kurfürst zu den bis dahin sechs deutschen Fürsten, die das Recht zur Wahl des deutschen Königs haben, der in der Regel danach auch der deutsche Kaiser wird. 1310 erwirbt das deutsche Haus Luxemburg durch Heirat Johanns von Luxemburg mit der Erbin der böhmischen Krone Elisabeth das Königreich Böhmen. Mit Kaiser Karl IV, König Wenzel und Kaiser Sigismund werden drei Könige von Böhmen aus dieser Linie selbst Könige und Kaiser des Deutschen Reichs. In ihrer Zeit dient Prag für nicht ganz hundert Jahre als „Hauptstadt“ Deutschlands. 1526 fallen Böhmen und Mähren durch Erbschaft an das Haus Habsburg, wo sie bis 1918
bleiben. So steht das Gebiet des heutigen Tschechiens und mit ihm die tschechische Nation fast 1000 Jahre unter deutscher Herrschaft, fast 500 Jahre als Teil des Deutschen Reichs und über 400 Jahre im Besitz des Hauses Habsburg. Die Bindung der Tschechen an das Habsburger Reich ist 1917 noch so stark, daß die tschechischen Abgeordneten des Wiener Reichsrats
protestieren, als die englische und die französische Regierung auf Anfrage des US-Präsidenten Wilson die Befreiung der Tschechen und Slowaken von
Habsburg als eines ihrer Kriegsziele verkünden. Sie erklären schriftlich: