Ähnlich reagiert die polnische Regierung. Am 22. September ersetzt Beneš – wie erwähnt – den antikommunistischen Ministerpräsidenten Hodscha durch den der Sowjetunion genehmen General Sirovy, und er nimmt Kontakt zur polnischen Regierung auf. Er bietet an, das Teschener Gebiet an Polen abzutreten, wofür Warschau den Durchmarsch sowjetischer Truppen gestatten müsse. Die polnische Regierung lehnt das ab, weil sie damit rechnen kann, Teschen bald aus deutscher Hand auch ohne dieses Zugeständnis zu bekommen. Der einzige Erfolg des neuen Beneš-Plans ist eine Warnung der Russen an die Polen, daß sie den Polnisch-Sowjetischen Nichtangriffspakt von 1932 lösen werden, wenn Polen sich an einem Angriff gegen die Tschechoslowakei beteiligt. Die Konsequenzen dieser Drohung wird Warschau 1939 spüren.
129 Rassinier, Seite 190
130 Henderson, Seite 158
131 MGFA Mil. Geschichte UdSSR, Band 2, Seite 127
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Der neue Beneš-Plan ist also schnell gescheitert, doch er torpediert zunächst einmal die französisch-britischen Bemühungen. Am 24. September, kaum daß General Sirovy als neuer Ministerpräsident im Amte ist, läßt er den ausländischen Diplomaten in Prag die folgende Erklärung übermitteln:
So ist der Stand der Prager Dinge, als der englische Botschafter der tschechoslowakischen Regierung die Godesberger Bedingungen Hitlers überreicht. Diesmal folgt die Antwort der Tschechen auf dem Fuß. Am 25. September lehnt Prag die neuen Godesberger Forderungen Hitlers nach einer sofortigen Besetzung der Sudetenlande durch die Wehrmacht als unannehmbar ab133. Damit ist das englische Bemühen, den Krieg um die Sudetenfrage abzuwenden, zunächst erneut gescheitert.
In den Folgetagen steht Europa am Rande eines neuen Krieges. Die deutsche Wehrmacht ist mit sieben Heeresdivisionen aufmarschiert. Die tschechische Regierung lehnt die Godesberger Forderungen Hitlers – besonders wegen der verlangten Volksabstimmung – ab und bringt das Heer mit Reservisten auf 43 Divi-sionen134. Die Regierung der Sowjetunion zieht sich trotz ihres Beistandspakts von der Tschechoslowakei zurück. Polen beharrt auf einer Übergabe des Teschener Industriegebiets. Ungarn verlangt die Abtretung der „ungarischen Gebiete“ und Selbstbestimmung für die Slowaken und Ruthenen135. Die Regierungen in Paris und London schwanken. Die Franzosen fordern Englands Waffenhilfe, und London merkt, daß Paris bisher militärisch selber nichts zur Rettung der Tschechoslowakei vorbereitet hat. Daladier und Chamberlain lassen trotz alledem nichts unversucht, Hitler vom Selbstvollzug des Sudeten-anschlusses abzuhalten. Beide drohen unmißverständlich, gegen Deutschland Krieg zu führen, falls deutsche Truppen in die Sudetenlande einmarschieren136.
Die britische Regierung mobilisiert dazu ihre Flotte und teilt das der Reichsregierung mit, um der Drohung Nachdruck zu verleihen137.
Hitler beharrt darauf, daß die tschechische Regierung seine Godesberger Forderungen bis zum 28. September akzeptiert. Andernfalls – so seine Drohung – wer-132 Benoist-Méchin, Band 6, Seite 309
133 Documents Brit. Foreign Policy, Third Series, Volume II, Document 1092
134 Görlitz, Seite 33
135 Roos, Polen und Europa, Seite 352
136 Henderson, Seiten 158 und 160
137 Churchill, Memoiren, Seite 395
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de die Wehrmacht die Sudetengebiete am 1. Oktober 1938 notfalls mit Gewalt besetzen. Doch trotz der Drohgebärden von zwei Seiten bittet Hitler Chamberlain in einem Brief um „weiterhin gute Vermittlungsdienste bei der tschechischen Regierung“ und verspricht, „daß Deutschland die Tschechoslowakei nach Übergabe der Sudetengebiete in Ruhe lassen und ihre Unabhängigkeit in keiner Weise verletzen werde.“138
Chamberlain läßt an diesem und an den Folgetagen nichts unversucht, eine kriegerische Auseinandersetzung um die Sudetenfrage zu verhindern. Noch am 27.